Pressestimmen
 
   
IL CIELO SULLA TERRA

Pressestimmen zur Urauffürung am 01.06.2006
 
 
zurück    Diese Musik ist atmosphärisch dicht, zudem macht es Spaß, zu verfolgen, wie Scodanibbio Sounds und Strukturen von Miles Davis, Pink Floyd oder Tangerine Dream auskomponiert; (…).
Jörg Behr und der Filmemacher Claudius Brodmann sorgen für einen starken Einstieg: Wie der gestirnte Himmel ziehen Lichtpunkte auf zwei hintereinander gestaffelten halbtransparenten Prospekten herauf, werden größer, bis man in den Lichtkreisen unversehens Gesichter und Szenen erkennt: einen Redner, Demonstrationen, einen Schriftzug Radio Alice, Sender der revolutionierenden Studenten. (…)
Mit einfachen Mitteln hat Jörg Behr so eine Geschichte von Unschuld, Entfremdung und Aufstand erzählt und damit eine Szene nah an den gedanklichen Kern der Musik herangerückt. (…)
Der Kinderchor der Staatsoper Stuttgart agierte mit bewundernswertem szenischen Engagement, das Instrumentalensemble wurde von Scodanibbio selbst geleitet und realisierte die vielfältigen idiomatischen Ebenen der Musik folglich mit unanfechtbarer Authentizität. So strahlte auch diese Produktion etwas aus, was typisch ist für das Forum Neues Musiktheater: eine Unbedingtheit und Professionalität der künstlerischen Intention, die sich nicht im fertigen Produkt, sondern in der experimentellen Genauigkeit äußert. (…)
Mit dem Ende der Intendanz von Klaus Zehelein verliert ein erhaltenswertes Konzept Haus und Partner – und findet hoffentlich anderswo ein Unterkommen. Wenn sich für dieses Modell experimenteller Arbeit am Projekt Musiktheater und für seine Macher kein neuer Rahmen finden ließe: das wäre wahrlich ein Armutszeugnis für die deutsche Theaterszene, die doch so gern und zu Recht stolz ist auf ihren künstlerischen Reichtum.
Die Deutsche Bühne


Im Moment des Absturzes reißt es Vorhang und Kulisse zu Boden, nun sieht man dahinter Scodanibbio mit seinen 10 exzellenten Musikern. Auf diesen Augenblick haben Bühnenbildner Gianni Dessi und der Regisseur Jörg Behr hingearbeitet: die instrumentale Aktion ist Zentrum von Scodanibbios Musiktheater.
„Wenn die unabhängig gewordene Kunst ihre Welt in leuchtenden Farben malt, ist ein Moment des Lebens alt geworden, und mit leuchtenden Farben lässt es sich nicht verjüngen, sondern nur in der Erinnerung wachrufen.“ Nach diesem Motto, welches als eines von vielen Zitaten in der Schluss-Szene (L’arte nella vita) auf die Zuhörer herabsegelt, handelt auch die Musik. Scodanibbios Partitur ist von enormer illustrativer Farbigkeit, die sich zu ekstatischer Spielfreude steigert. (…) Das Forum Neues Musiktheater erlebte eine bilderreich eindrucksvolle Uraufführung.
Cannstatter Zeitung

Mit einer verstörend schönen Klangwolke der Streicher, zwischen Kontrabaßgrummeln und -zirpen und übersinnlich singendem Flageolett, beginnt Scodanibbios assoziative Bilderfolge, während sich auf dem Gaze-Vorhang kleine Sonnen abzeichnen. Ein Aufbruch am Morgen. (…) Viel Beifall für ein kinderreiches, kein kindisches Musiktheater.
Südwest Presse

Da gab es zum Beispiel zwei Videos (Claudius Brodmann) von bühnenfüllenden Ausmaßen: hoch poetische, einfallsreiche Variationen zum Thema Rauschhaftigkeit. Am schönsten aber war eindeutig jene Szene, die mit „Amore“ überschrieben war: Zwei Tänzer (Alexandra Gilbert, Damien Jalet) ließen ihre Körper buchstäblich miteinander verschmelzen – was eine akrobatische Körperbeherrschung voraussetzt. (…) Stark wirken die instrumentalen Teile, besonders im letzten Bild, in dem plötzlich jede Bühnenhandlung abbricht und die Zwischenvorhänge fallen; zum Vorschein kommen als alleinige Akteure die zehn Instrumentalisten, unter denen der fabelhafte Pianist Fabrizio Ottaviucci unbedingt hervorgehoben werden muss. Sein Spiel und die wirklich starken Bild-Ideen (Gianni Dessi) lohnen allemal den Besuch im Römerkastell in Stuttgart-Bad Cannstatt.
Stuttgarter Nachrichten

Gäbe es das Forum Neues Musiktheater nicht schon, müßte irgend jemand es erfinden. Die Vielfalt dessen, was hier zur Aufführung kommt, lässt sich nur indirekt auf einen Nenner bringen – als Entwürfe, die im Zusammenspiel verschiedener Künste mehr aussagen wollen, als dies mit rein instrumentaler Musik möglich wäre. In Stefano Scodanibbios Cielo sulla terra treten fünfzehn Kinder auf und ein Tänzerpaar, zwischen einer transparenten und einer blickdichten Leinwand, die das Ensemble verbirgt. Am Konzept haben der viel diskutierte Philosoph Giorgio Agamben mitgewirkt und der Künstler Gianni Dessi. Es geht um die Utopien, die bis in die siebziger Jahre, als Scodanibbio in Pesaro studierte, die Gemüter beschäftigten – und um die Frage, was aus ihnen geworden ist. (…)
Alexandra Gilbert und Damien Jalet bilden wie eine Lotusblüte, wie ein vierarmiger und vierbeiniger Shiva eine einzige tanzende Figur. Es ist die Choreographie und die großartige tänzerische Leistung, die diese Vorstellung nicht langweilig werden lässt. Allmählich geht sie zu einem wabernden Tangerine-Dream-Bass und Flötentönen vom Band in einen Tanz der Buchstaben auf der Leinwand über. Die Sätze, die sich dort zusammensetzen und wieder auflösen, symbolisieren den Rausch, der in eine Sackgasse führt. Welche Erleichterung, als dann die Vorhänge herabfallen und das Ensemble zum Vorschein kommt und somit die differenzierte brilliant vorgetragene Musik selbst die Bühne betritt.
Stuttgarter Zeitung

Am Ende zitiert eines der Kinder einen Slogan der Studentenbewegung. „Unter dem Pflaster liegt der Strand“, und ein zweites Kind fragt: „was soll das heißen?“ – das faßt das Problem dieses an eindrucksvollen Bildern und Klängen reichen Abends zusammen – aber das ist ja auch das Wesen dieses Forums: Labor zu sein für neue Formen – und dabei kamen immerhin auch Ergebnisse heraus, die für den Zuschauer neue Faszinationen enthielten. Es wäre ein Verlust, wenn dieses Labor nicht mehr arbeiten dürfte.
SWR